31.8.2020
"Ultranet wollnmernet", so der Slogan der BI Wildsachsen und Langenhain gegen Ultranet - die Stromautobahn, die künftig zwischen den Einspeisepunkten Osterath und Philippsburg verlaufen soll und
im Zuge des Netzausbaus erstmals in Deutschland Gleich- und Wechselstrom auf einer Leitung führt. Da im Streckenverlauf bestehende Trassen verwendet werden, die zum Teil nur wenige Meter an
Wohnhäusern entlang laufen oder diese gar überspannen, regt sich von vielen Kommunen entlang der geplanten Trasse seit Jahren erheblicher Widerstand. Eine Verlegung der Kabel unter der Erde wird
für Ultranet nicht nur von dem Unternehmen, sondern auch von der Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde abgelehnt.
"Vor allem die Folgen der elektrischen und elektromagnetischen Strahlung der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung für die Gesundheit der in der Nähe der Trasse lebenden Menschen sowie die
Lärmbelastung sind unzureichend bis gar nicht erforscht", so Karin Lübbers, Sprecherin der BI Wildsachsen und Langenhain gegen Ultranet. "Hier werden Menschen zu Versuchskaninchen gemacht." Für
Neubauten gilt mittlerweile ein gesetzlich festgelegter Mindestabstand von 400 Metern zu Siedlungen und 200 Metern zu Einzelbebauungen. Durch die Nutzung der bestehende Trasse werde diese Vorgabe
ignoriert, betonen die BIs.
Alternativvorschlag "verschlimmbessert"
Die Stadt Hofheim und die Bürgerinitiative haben Alternativvorschläge für den Leitungskorridor mit dem Ziel entwickelt, dass die Leitung möglichst nicht - wie in Wildsachen und Langenhain - über
bewohntes Gebiet führt. Diese wurden im Verfahren der Bundesfachplanung eingereicht. In dieser ersten Phase wird zunächst formal der Verlauf eines ein Kilometer breiten Korridords
festgelegt, in dem die eigentliche Trasse dann verlaufen soll. Deren genaue Platzierung ist dann Gegenstand in einem zweiten Schritt, dem bevorstehenden Planfeststellungsverfahren.
Da durch die betroffenen Kommunen - zum Bespiel auch Hofheims Nachbar Eppstein und Niedernhausen - etliche Verschwenkungsvorschläge eingereicht wurden, hat die Bundesnetzagentur eine sogenannte Nachbeteiligung angesetzt. Im Zuge dessen wurden jetzt von Amprion Vorschläge veröffentlicht, die sie zumindest im Falle von Wildsachsen und Langenhain wahrscheinlich in die Planfeststellung mitzunehmen gedenken.
"Das haben wir nicht gefordert!"
Dass der von Amprion vorgeschlagene Korridor nach wie vor darauf abzielt, die vorhandenen Leitungsmasten zu nutzen, hat der neue Vorschlag des Leitungsbetreibers Amprion bewiesen, der jetzt
veröffentlicht wurde. "Was wir da in den Zeitungen gesehen haben, das hat uns wirklich geschockt", so die BI-Sprecherin Karin Lübbers. Sie macht klar: "Das haben wir nicht gefordert! Das können
wir so nicht so stehen lassen."
Der abgebildete und von Amprion dargestellte "alternative Trassenverlauf Wildsachsen 3 " - entlang und über Wildsachsen und Langenhain - wurde von Amprion massiv geändert. "Ich habe viele Anrufe
von irritierten Bürgern erhalten", erzählt sie. Ihnen habe sie erklären müssen, dass das nicht der Vorschlag der BI sei, sondern ein Konglomerat von mehreren detailliert erarbeiteten und
eingereichten Verschwenkungsvorschlägen, die von Amprion angeblich "geprüft und angepasst" worden seien. Das habe ihr der für die Prüfung veranwortliche Mitarbeiter bei Amprion auf Nachfrage
erklärt. Im dazugehörigen Prüfbericht werde allerdings davon gesprochen, die Vorschläge der Stadt und der BI seien "vollumfänglich" übernommen worden.
Blockieren, wo es geht
Die Absicht dahinter sei klar: "Amprion ist nicht an einer Verschwenkung interessiert, sie bewegen sich nicht, schlimmer noch: sie blockieren wo es nur geht", betont Lübbers. "Nur gut, dass es
letztlich nicht auf den Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der mit der Planung und Bau der Trasse betraut ist, ankommt. Die Entscheidung über den Verlauf des Korridors und dem endgültigen Verlauf
der Trasse trifft die Bundesnetzagentur."
Lübbers ruft die betroffenen Bürger daher dazu auf, sich auf der Webseite (https://www.ultranet-wollnmernet.de/) und der Facebook-Seite der BI auf dem Laufenden zu halten. "Natürlich werden wir für eine Entlastung der Anwohner weiter kämpfen, den
Prüfbericht intensiv durcharbeiten und den Bürgern fundierte Stellungnahmen zur Verfügung stellen. Wer kann, sollte eine solche in der genannten Frist abschicken. Denn noch ist nichts
entschieden!" Wichtig sei es, jetzt noch einmal alle Kräfte zu bündeln. Denn nur die Pläne, die es ins Planfeststellungsverfahren schaffen, werden auch noch weiterverfolgt.
Karin Lübbers schöpft Mut auch aus der guten Zusammenarbeit mit der Stadt Hofheim, mit der es in dieser Woche noch ein Abstimmungsgespräch gibt, als auch mit dem zuständigen Hessischen
Ministerium, mit dem man eng und vertrauensvoll zusammenarbeite und in ständigem Austausch stehe.
"Wir sind es nicht, die einen zügigen Netzausbau verzögern. Es ist die Firma Amprion, die ein angeblich 'überragenes öffentliches Interesse' an dieser Leitung über die Gesundheit der Menschen
stellt", so ihr Fazit. Die Nachbeteiligung zeige, dass man nicht gewillt sei, Kompromisse einzugehen. Genügend Vorschläge, wie die Leitung schnell und ohne Schaden für Menschen, Wirtschaft und
Umwelt weitergeführt werden kann, haben BI, Stadt, Kreis und Land, unterstützt von einer Anwaltskanzlei, bereits geliefert, selbst Ministerpräsident Volker Bouffier und Wirtschaftsminister Tarek
Al Wazir wollen die für Hofheim so wichtige Verschwenkung.
Der Prüfbericht samt Korridor-Verlauf ist vom 31. August an vier Wochen lang öffentlich einsehbar, bis zum 2. November dürfen Bürger und Organisationen noch einmal Stellungnahmen dazu
abgeben.